Berlin-Film-Katalog (in Vorbereitung)

Rarität des Monats Juli 2017

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Vom 10.-12. Juli 2017 um 19.30 Uhr lief

 

Playgirl

BRD 1965/1966 – 88 Min. (2417 m) – 35 mm (1:1,37) – Schwarzweiß
Regie, Buch: Will Tremper. Kamera: Wolfgang Lührse, Benno Bellenbaum. Ton: Naftali Schönberg. Schnitt: Ursula Möhrle. Script, Kostüme: Christine Viertel. Musik: Peter Thomas.
Darsteller: Eva Renzi, Harald Leipnitz, Paul Hubschmid, Umberto Orsini, Elga Stass (d.i. Edelgard Stössel), Rudolf Schündler, Ira Hagen, N. Sokatscheff, Barbara Rath, Hans-Joachim Ketzlin, Heidrun Kussin, Gerd Bethke, Marina Gambaroff, Erik von Loewis, Rita Maria Tablik, Bruno Hampel, Gerda Blisse, Ralph Gregan. Als Gäste Don Antonio Espinosa, Georg und Elizabeth Wertenbaker, Dimitri und Helen Cosmadopolous, Heinz Zellermeyer, Reinhold W. Timm, Ricci, Marga Zeuzem, Karin Reich, Monika Scholl-Latour, Alexander und Renate Gonda, Hans Peter Plettner, Elke Kummer, Gero Gandert, Katharina Sillaber, Ellen Kessler, Heinz Oestergaard sowie Mitglieder des Living-Theaters New York.
Es singen Marie France und Paul Kuhn.
Es spielt Klaus Doldinger und sein Quintett.
Produktion: Will Tremper Film GmbH, Berlin. Herstellungsleitung: Felix Hock.

Arbeitstitel (neben anderen): „Schlaraffia an der Spree“, „Schlaraffia in Berlin“, „Berlin ist eine Sünde wert“.

Erstverleih: Will Tremper Film GmbH.

Uraufführung: 23. Juni 1966, Berlin, Gloria-Palast.

 

Nach Drehbüchern zu Filmen wie „Die Halbstarken“ und „Endstation Liebe“ war Will Tremper (1928-1998) in den Sixties mit seinen eigenen Arbeiten „Flucht nach Berlin“ und „Die endlose Nacht“ (jeweils Produktion, Regie, Buch) zu einem der wichtigsten westdeutschen „Jungfilmer“ aufgestiegen. Auch „Playgirl“ drehte der prominente Journalist 1965 auf eigene Faust, auf eigenes Risiko mit eigenem und zusammengepumptem Geld und in der ihm eigenen, unkonventionellen Art: Ohne richtiges Drehbuch, oft improvisiert, natürlich nur auf den Straßen und in echten Räumen, mit vielen Freunden und Bekannten, ganz geleitet von seiner Faszination für seine junge Hauptdarstellerin Eva Renzi und für seine Wahlheimat Berlin.

Eva Renzi, seinerzeit Anfang zwanzig, spielt ein erfolgreiches Model (oder, wie man damals sagte, Mannequin), das nach West-Berlin kommt. Hier will sich die junge Frau endlich den großen Unternehmer angeln, mit dem sie in Rom eine kurze Affaire hatte (Paul Hubschmid). Der ist von ihr jedoch wenig begeistert und versucht, sie an seine rechte Hand (Harald Leipnitz) abzuschieben.

Die Story ist für Tremper aber nur ein Aufhänger, um möglichst viel von dem unterzubringen, was er an Berlin toll und bemerkenswert findet. Und natürlich lauter Tremper-typische Szenen von so schnoddrigem Humor und solcher Lebensnähe zu schaffen, wie es sie im deutschen Film bis heute leider nur selten gibt.

Zu den Drehorten des Films, dessen Verleih Tremper schließlich auch noch übernahm, zählten das Olympiastadion und das Olympia-Schwimmstadion, der Stuttgarter Platz und das gerade wiederaufgebaute Schloß Charlottenburg, der Ernst-Reuter-Platz, der Halensee, die Avus, natürlich der Ku’damm, eine Pension in der Fasanenstraße, die Wilmersdorfer Straße am heutigen Adenauerplatz, der Kempinski Grillroom, die ganz neue Philharmonie, der unglaubliche popelige „Düsenflughafen“ Tegel, die Mauer in der Willhelmstraße, Checkpoint Charlie, das teils noch im Bau befindliche Haus des Axel-Springer-Verlags und das echte Büro von Axel Springer (dem die Figur des Unternehmers und Frauenhelden auch nachempfunden war).

Kurzum: Pralles Leben, flotte Sprüche, erotische Verwirrungen (damals FSK 18, vierzig Jahre später dann FSK 6), schicke Klamotten, scharfes Ambiente und Nouvelle Vague auf deutsch im Berlin des Jahres 1965 – und das alles mit Musik von Peter Thomas!

Wie sehr Tremper damals als wichtiger Teil des „neuen“ Kinos wahrgenommen wurde, zeigt auch der Umstand, daß „Playgirl“ 1966 in der „Filmkritik“ gleich dreimal besprochen wurde: von Enno Patalas, Uwe Nettelbeck und Dietrich Kuhlbrodt, die sich über den Film und seinen Wert stritten. In einer weiteren, umfangreichen Rezension in der „Zeit“ (Nr. 37/1966) befand Nettelbeck, „Playgirl“ wäre „neben Alexander Kluges ‚Abschied von Gestern’ das Beste, was der junge deutsche Film bisher hervorgebracht hat“.

 

Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

Mehr zu dem Film hier.

 

 

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J.G.

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Quellen der filmographischen Angaben: Filmlänge, Erstverleih: Evangelischer Film-Beobachter, Nr. 29/1966. Arbeitstitel: Film-Telegramm, Nr. 35/1965, Mannheimer Morgen vom 16./17.4.1966, Film [Velber], Nr. 9/1965, Der Tagesspiegel vom 8.8.1965. Filmformat, Bildformat, Uraufführung: www.filmportal.de/film/playgirl_00917636a19244e989768b34044e4a3d (besucht am 25.6.2017). Alle anderen Angaben: Originalvorspann.

Bilder: Moviemax.